Objektbeschreibung
Technische Daten:
Datierung: 1927
Material: Stickerei auf Textil, Baumwoll- und Metallfaden
Maße: 105 cm x 109 cm
Aber warum eine Fahne zum Jubiläum? War das nicht genau dieselbe Symbolik, die auch Schützenvereine, der Adel und das Bürgertum verwendeten? Ja. Fahnen als Zeichen für eine Gruppe und als Symbol für Werte gehen bis auf die Römer zurück. Oft wurden Fahnen als Zeichen im Militär verwendet. Die Fahne diente dort der Wiedererkennung der eigenen Einheit. Sie zu tragen war eine besondere Ehre und die Fahne des Feindes zu erobern eine besondere Heldentat. Die eigene Fahne zu verlieren galt als schwere Schande. Auch in der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts hatte die Fahne einen hohen Stellenwert, besonders im Vereinswesen. Mit ihrer Vereinsgründung 1890 übernahm die neu formierte Sozialdemokratische Partei Deutschlands die Symbolik der Fahne mit eigenen Akzenten. Die Formen auf der Fahne sind das Kürzel der Partei (SPD). Auch die Farbe Rot hat eine lange Tradition in der Sozialdemokratie. Erstmals tauchte sie 1834 bei Protesten von französischen Seidenarbeitern auf. Die Kämpfer der 1848er-Revolution nutzten die rote Fahne zum Protest und Ferdinand Lassalle machte die Farbe Rot zum Teil der Arbeitervereinsfahne.
Bismarck fürchtete die Revolution der Arbeiter und den Sturz der konservativen Ordnung. Daher sorgte er für ein Verbot aller sozialistischen Vereine. Seine Sozialistengesetze schränkten das öffentliche Engagement der Arbeiter enorm ein und führten zu zahlreichen Verhaftungen. Aber Bismarcks Erfolg war nicht von Dauer. Im Gegenteil. Die Verärgerung über die Einschränkungen der Arbeiter und Demokraten stärkte die sozialistische Bewegung. Die neu gegründete SPD verdreifachte ihre Mitglieder innerhalb weniger Jahre. Selbst in Orten wie Minden, wo sie vorher einen schweren Stand hatte, gelang ihr ab 1890 der Durchbruch. Sie wurde zum entscheidenden politischen Mitspieler und sorgte für zahlreiche Reformen für die Arbeiter.
Gewidmet wurde die Fahne dem 35-jährigen Jubiläum des Mindener Ortsvereins der SPD im Jahr 1927.
// Text: Andrea Kramper, August 2025
Literatur:
Udo Becker: Lexikon der Symbole. Verlag Herder im Breisgau: 1992.
Hofmann, Robert: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart. München: R. Piper GmbH & Co 1993.
Decker, Frank und Viola Neu: Handbuch der deutschen Parteien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007.
Joachim Meynert, Ursula Bender-Wittmann (Hrsg.): Keine vaterlandslosen Gesellen. Beiträge zur Geschichte der Sozialdemokratie in Minden. Minden 1994, ISBN 3-928959-04-2.
H.-W. Dirks, K. Kossack: Mit Fingerspitzengefühl Politik gemacht. In: Mindener Tageblatt. 21. März 2008 zum 25. Todestag von Max Ingberg.
G. Kröncke: Immer aufrecht stehen - Ein deutscher Lebenslauf. In: Wolfgang Emer u. a. (Hrsg.): Provinz unterm Hakenkreuz. Diktatur und Widerstand in Ostwestfalen-Lippe. Bielefeld 1984, S. 281 ff.
Schon gewusst?
Max Ingberg ist ein bekannter Sozialdemokrat aus Minden. Bereits in seiner Jugend trat er der Arbeiterjugend bei. Seit 1924 war er Mitglied im Ortsverein Minden. Unter den Nationalsozialisten wurde er verhaftet und floh später nach Belgien. Dort tauchte er mit gefälschtem Pass unter und setzte sich im Widerstand ein. Viele Mitglieder seiner Familie aus Minden starben in Auschwitz – die ersten Stolpersteine der Stadt Minden sind Ihnen gewidmet. Nach dem Krieg engagierte sich Ingberg in der SPD in Minden.